Breitensport Berichte

Seegenuss mit "Seebär"

von Ilse Wagner

Schweizer Naturerlebnis auf dem Vierwaldstätter See in der Zentralschweiz

Knackige 75 Jahre zählt der Seegig-Achter vom "RC-Reuss" in Luzern. Auch wenn es da und dort vermehrt knarzt, das gepflegte Edelholzboot ist nach wie vor gut in Schuss und auf seinem Heimatgewässer Vierwaldstätter See unterwegs. Generationen von Wanderruderern haben damit die verschiedenen Seeteile des verzweigten Gletscherrandsees gequert oder umrundet. Drei Totalrevisionen und eine liebevolle Pflege bewahrten den Jubilar im Bestzustand.

Eine 2-Tagesfahrt mit dem betagten Boot organisierte Wolfgang Bukatiuk vom Wanderruderverein See-mal-Rhein in Radolfzell – Kenner und Liebhaber des "Seebärs" –, für Ruderfreunde vom Bodensee, diesmal aus Überlingen und dem schweizerischen Arbon. Als Ortskundiger übernahm er zudem den Landdienst mit seiner Frau Birgit.

Ganz leicht fiel es den Teilnehmern nicht, nach frühem Aufstehen und langer Anfahrt um 8.30 Uhr frisch, munter und ruderfertig in Luzern zu sein. Zum Glück war die Wettervorhersage für das Spätsommerwochenende am 8. und 9. September nicht nur sonnig und warm, sondern ausnahmsweise auch nur schwach-windig. Welch ein Hochgenuss, die morgendliche Stille auf dem glatten Wasser zu genießen und den Blick über die Gipfel der Zweitausender Pilatus und Rigi schweifen zu lassen. Nach der Querung des Kreuztrichters, wo die vier Seearme abzweigen, glitten wir bei ruhigem Wasser am östlichen Ufer über Weggis, Vitznau und Gersau entlang schroffer Felsen und dazwischen liegenden Ortschaften dahin. Erst nach und nach kamen einige altgediente Schaufelraddampfer und Segelboote in Sicht. Vor dem Urnersee, dem letzten Abschnitt nach Flüelen, ganz im Süden des Vierwaldstätter Sees, gönnten wir uns eine ausgiebige Pause im Strandbad Brunnen.

Das Becken des Urner Sees im Kanton Uri ist berühmt-berüchtigt für seine Thermik, die ziemlich regelmäßig gegen 13:00 Uhr einsetzt. In diesem ca. 12 km langen Abschnitt, der von steil aufragenden Felswänden ohne Landemöglichkeit gesäumt wird, kann der böige Nordwind so heftige Wellen erzeugen, dass ein Boot im Nu vollgelaufen ist. Doch des einen Leid, ist des anderen Freud. Versierte Kitesurfer warten hier auf den Wind, der sie fliegen lässt – ein faszinierender Anblick! Wir hatten Glück, diesmal hielt sich der Wind in Grenzen und der kräftige "Seebär" schaukelte nur mäßig, bis wir – ohne Wasser im Boot – am Ruderclub Flüelen freundlich empfangen wurden.

Es hätte auch auch anders sein können, wie in Schillers "Wilhelm Tell" beschrieben:

"Wehe dem Fahrzeug, das jetzt unterwegs,
In dieser furchtbarn Wiege wird gewiegt!
Hier ist das Steuer unnütz und der Steurer,
Der Sturm ist Meister, Wind und Welle spielen
Ball mit dem Menschen – Da ist nah und fern
Kein Busen, der ihm freundlich Schutz gewährte!
Handlos und schroff ansteigend starren ihm
Die Felsen, die unwirtlichen, entgegen,
Und weisen ihm nur ihre steinern schroffe Brust."

So aber genossen wir Kaffee und Kuchen bei strahlendem Sonnenschein und grandiosem Bergblick, bis wir zu uns einem Spaziergang zum Reussdelta aufmachten. Die Reuss schiebt einiges an Sand und Kies von den Bergen in den See, was die umliegenden Firmen weiterverarbeiten. Kleine Badeinseln locken Besucher hierher, und der Rundumblick vom Aussichtsturm auf die Bergwelt ist durchaus lohnenswert.

Statt wie in früheren Jahren mit der Seilbahn auf die Eggberge zu fahren und dort in einem Berggasthof zu nächtigen, gönnten wir uns ein Hotel in Flüelen, leider an der Durchgangsstraße und stark befahrenen Eisenbahnstrecke in Richtung Gotthard. Nach einem frühen Abendessen mit Schweizer Spezialitäten wie z.B. Rösti im urigen Gasthof Linde stellte sich früh die Bettschwere ein.

Bis am Sonntagmorgen die Sonne hinter den Bergen hervorkam, war es noch kühl. Der "Seebär" war schnell zu Wasser gelassen. Auf der sonnigen Seite fuhren wir von Bucht zu Bucht entlang der bizarren Felswände. In der Nähe von Seelisberg liegt die Rütliwiese, wo gemäß der Gründungslegende der Alten Eidgenossenschaft am 1. August 1291 die drei Urkantone Uri, Schwyz und Unterwalden mit einem Eid einen Bund gegen die tyrannischen Vögte schlossen. Unweit vom Rütli ragt ein markanter Felsblock aus dem Wasser. Dieser Mythenstein am Eingang zum Urnersee, der einst den Weg zum Rütli wies, ist seit 1859 als Schillerstein bekannt und erinnert mit den Worten:

DEM
SAENGER TELLS
F. SCHILLER
DIE
URKANTONE

Von hier aus querten wir den Urnersee in Richtung Brunnen. Erst in Vitznau bot sich eine akzeptable Möglichkeit, mit dem massiven Achter anzulegen und an Land zu gehen. Der sonntägliche Ausflugsverkehr auf dem See nahm enorm zu, denn an jedem Hafen gab es zum Empfang Blasmusik zum Ende der sommerlichen Schifffahrtsaison.

Der Rückweg zum Luzerner Seebecken war dementsprechend wellig mit regem Schiffsverkehr, Motorbootrasern und Seglern, die wie wir diesen herrlichen Sonntagnachmittag genießen wollten. Nachdem der "Seebär" geputzt und getrocknet im Bootshaus ruhte, gönnten wir uns noch einen Abschiedstrunk auf der Terrasse des Clubhauses und ließen diese erlebnisreiche und genussvolle Seebär-Tour mit einem Glas Wein ausklingen.

Ein herzliches Dankeschön an alle, die zum Gelingen dieser Tour beitrugen, vor allem an Birgit und Wolfgang Bukatiuk, die hoffentlich auch im nächsten Jahr den "Seebär" wieder für uns organisieren und dazu wieder sonniges und windfreies Wetter.