Breitensport Berichte

Venedig sehen und rudern!

von Björn Quade

Grund für die Venedigfahrt der Waldshuter Wanderruderer vom 26. Mai bis 2. Juni war die 38. "Vogalonga" (voga - Ruder, longa - lang, langes Ruder). Die 30 km lange Regatta muskelbetriebener Boote in und um Venedig findet traditionell am Pfingstsonntag statt. Diese Veranstaltung wurde 1974 als farbenfrohe Demonstration für den motorlosen Verkehr und gegen die Verschmutzung der Gewässer Venedigs ins Leben gerufen. Seither mischen sich zunehmend Ruderer und Paddler aus ganz Europa unter die venezianischen Stehruderer in ihren eleganten Gondeln.

Mit 7.728 Teilnehmern in 1.802 Booten waren die Veranstalter in diesem Jahr jedoch sichtlich überfordert.
Als für diese Wanderfahrt der Hochrheingruppe noch Rollsitze frei wurden, sagten sofort zwei Überlinger Ruderinnen ihre Teilnahme zu. Wir reisten mit drei gesteuerten Vierern nach Cavallino-Treporti, einer Landzunge in der Lagune von Venedig, wo alle zusammen auf einem Campingplatz in Punta Sabbioni untergebracht waren.


Abenteuer "Vogalonga" (52 km)
Das Markusbecken vor dem Markusplatz war bereits übersät mit geschmückten Booten und bunt gekleideten "Vogalongisti" (Vogalonga-Teilnehmer), als wir von unserem Standort nach 11 km Rudern eintrafen. Nach dem Startschuss um 9 Uhr versuchte jedes Boot, so schnell wie möglich auf den Rundkurs bis zu den Inseln Vignole und Sant' Erasmo zu gelangen und weiter zur Insel Burano, wo es zum ersten Gedränge kam. Kanuten durften auf einem schmalen Kanal weiterfahren, Ruderer wurden auf einen breiteren Wasserweg entlang der fröhlich bunten Häuser geleitet. Weiter ging es zur Insel Murano, die wir auf einem Kanal durchquerten, angefeuert von klatschenden Zuschauern und einer Musikkapelle.


Vor Venedig kam es dann zu einem Rückstau bei der Einfahrt zum schmalen Cannaregio-Kanal. Knapp zwei Stunden schmorten wir in der Mittagssonne inmitten des Bootschaos und bewegten uns kaum vorwärts. Paddler verhakten sich immer wieder im Gedränge und Drachenboote schafften sich mit Trommeln und Schlachtrufen Bahn. Gerüchte kursierten von verunglückten Booten, die Sirenen von Polizei- und Krankentransportbooten heulten.


Als wir es endlich mit "Hauen und Stechen" in den Canale di Cannaregio geschafft hatten, glitt plötzlich wie von Zauberhand geordnet ein Boot nach dem anderen ruhig weiter zum Canal Grande, dem Highlight der Rundfahrt. "Voga, voga!" – "rudert, rudert!", klangen die Begeisterungsrufe von der Rialtobrücke herunter, als wir mit Grandezza hindurchruderten. Da schlug sicher jedes Ruderherz höher! Gemächlich zogen wir an den historischen Prachtfassaden morbider Adelspaläste und Bürgerhäuser vorbei und freuten uns über Zurufe vom Ufer. Am Streckenende "Punta Dogana" wollten wir unsere verdienten Medaillen in Empfang nehmen, die waren leider ausgegangen! Vielleicht kommt der Teilnahmenachweis wie versprochen eines Tages mit der Post.

Der Rückweg nach Punta Sabbione (11 km) war ein einziges Geschaukel, weil nun alle motorisierten Wasserfahrzeuge wieder frei fahren durften. Ein dickes Lob an unsere Steuerleute, die uns so sicher durch das Gewühle geführt haben.


Schönstes Freilichtmuseum der Welt

Den ruderfreien Montag nutzten die meisten von uns für einen Ausflug nach Venedig. Der weiße Marmor des üppig gestalteten Markusdoms und des prachtvollen Dogenpalastes strahlte im Sonnenlicht, als wir mit dem Schiff an der Piazza San Marco landeten. Das Staunen über Venedig lässt auch nach mehreren Besuchen nicht nach, gibt es doch unglaublich viel zu sehen. Allein die Häuser im venezianischen Stil, wie mit weißem Zuckerguss garniert, sind eine Besichtigung wert.

 

 

Idylle Sile - Silone - Lagune (52 km)
Für den Ruderausflug am Dienstag auf dem Fluss Sile waren wir froh um unsere zwei Nichtruderer, die sich anboten, den Bootshänger und das zweite Fahrzeug von unserer Einsatzstelle Casier bei Casale sul Sile auf dem Festland nach Punta Sabbione zurückzubringen. Der Sile ist ein 95 km langer, grundwassergespeister Fluss. Wie eine Wasserschlange windet sich der stille, schmale Fluss durch das gleichnamige Naturschutzgebiet, wo Schatten spendende Pappelreihen und Trauerweiden die Ufer säumen. Die üppige Vegetation wird unterbrochen von stillgelegten Ölmühlen und einigen wenigen Ziegelbrennereien aus alter Zeit. Weiter flussabwärts stehen protzige venezianische Sommervillen, umgeben von gepflegten Parkanlagen. Nach einer kurvenreichen Fahrt gelangten wir über die Schleuse von Porti-grandi in den verzweigten unendlich stillen Silone-Kanal, ebenfalls ein Naturschutzgebiet. Reiher standen unbeeindruckt am Ufer und Kormorane umkreisten uns. Schilfinseln und Sandbänke reihen sich hier aneinander und das Wasser gleicht einer Spiegelfläche. Vorbei an den Inseln Torcello und Burano ging es auf belebten Wasserwegen wieder zurück nach Punta Sabbioni.

 

 


Landzunge Cavallino-Treporti (38 km)

Nach heftigen Schauern und Gewittern in der Nacht plante unser Fahrtenleiter für Mittwoch eine kürzere Tour. Zunächst ging es auf der Lagunenseite zum Hafen von Treporti, dann auf einem Kanal der Landzunge nach Cavallino, einer Kleinstadt mit Ferienparks und Yachthäfen auf der Adriaseite. In dieser belebten Region mit guter Wasserqualität gibt es viel Fischzucht. Nach einer ausgiebigen Mittagsrast an Land ruderten wir auf einem anderen Kanal, mit einem Zwischenstopp auf einer Sandbank, wieder zurück zu unserem Ausgangspunkt Punta Sabbioni.

"Inselhüpfen" mit dem Wasserbus
Regen in der Nacht und Gewitterstimmung am Donnerstagmorgen waren passend für einen ruderfreien Tag mit Ausflügen per Vaporetto (Wasserbus) zu den Laguneninseln. Einige fuhren zur Insel Sant' Erasmo, die vor allem für Artischocken- und Weinanbau genutzt wird. Andere suchten das quirlige Venedig auf oder fuhren zur Friedhofsinsel "San Michele". Für etliche war die Insel Murano, berühmt für ihre Glaskunst, ein lohnendes Ziel. Dort wird noch heute nach Geheimrezepten exklusives Muranoglas hergestellt.


Gute Laune-Insel Burano (12 km)

Am Freitag, unserem letzten Rudertag, war es schwülwarm und ein Gewitter zog auf. Den kurzen Weg nach Burano konnten wir trotzdem wagen. Diese Insel bietet einige Möglichkeiten Boote an Land zu legen. Burano mit seinen liebevoll und kunterbunt gestrichenen Häusern ist besonders bekannt für die handgefertigten Spitzen, die "Merletti". Sehenswert ist daher das "Museo del Merletto", das Spitzenkunst aus mehreren Jahrhunderten zeigt. Einige betagte Spitzenmeisterinnen kommen täglich ins Museum und sticken fragile Spitzenbesätze.

Leider mussten wir am frühen Nachmittag schon wieder zurückrudern und die Boote für den Rückweg am Samstag abriggern und verladen. Trotzdem blieb noch Zeit für einen "Veneziano" (Aperol Spritz) und ein "Gelato" auf der Nachbarinsel Lido di Venezia mit seinen vornehmen Hotels und Badestränden. Eine eindrucksvolle Ruderwoche war zu Ende: Die "Vogalonga" war aufregend, die verschiedenen Rudertouren auf dem Sile und Silone sowie in der Lagune und zu den Inseln gestalteten sich abwechslungsreich.

Genuss- und kulturreiche Landausflüge ergänzten die Ruderfahrten. Die gemeinsamen Abende beim Schlemmen regionaler Spezialitäten sowie das harmonische Zusammensein auf dem Campingplatz rundeten die Venedig-Wanderfahrt ab. Auch mit dem Wetter hatten wir Glück, es war noch nicht heiß, nur schwül, und geregnet hatte es zum Glück nur nachts.



"Mille Grazie" an unseren Fahrtenleiter und Steuermann Wolfgang sowie an die Steuerfrau Birgit für die Betreuung und die viele Vorarbeit.